Heute möchte ich über ein Thema schreiben, welches theoretisch allen völlig klar und bekannt sein dürfte, aber vielleicht im Alltag dennoch zu wenig Beachtung und Anwendung findet. Gemeint ist die gesunde Mischung zwischen Anspannung (Aktivität) und Entspannung (Passivität).
Häufig nehmen wir an, dass wir nur etwas erreichen können, wenn wir möglichst aktiv sind und wir uns stark auf eine Sache konzentrieren können. Das trifft in vielen Fällen zu. Alltägliche Dinge und besondere Tätigkeiten bedürfen einer genauen Konzentration und Einstellung darauf. Eine konstant hohe Anspannung führt allerdings zu einer Überbelastung von Körper, Seele und Geist.
Enge Zeitpläne, schnell arbeiten müssen, alles richtig machen und für alle da sein wollen sind dabei die unbewussten Treiber für das Zurückstellen von eigenen Bedürfnissen nach Entspannung. Nicht nur im Berufsleben, sondern auch im Rahmen der Familie oder in der Freizeit strömen täglich Unmengen an Informationen auf uns ein. Ob digital oder analog, es scheint kaum mehr einen Bereich im Leben zu geben, der nicht mit Stress in Verbindung gebracht werden kann.
Stress lass nach
Leider ist Stress in unserer gegenwärtigen Gesellschaft zu einem Modebegriff geworden. Für manch eine Person ist er ein Statussymbol. Denn wer Stress hat, hat viel zu tun und ist bedeutsam. Oft entwickelt sich eine solche Auffassung zu einer Sucht. Um auf die Belastungen im erforderlichen Maße reagieren zu können, produziert der Körper Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin. Diese rufen dann gewisse Reaktionen im Körper hervor: schnelleres Atmen, angespannte Muskeln und erhöhte Aufmerksamkeit von Körper und Geist. Dieser Zustand pusht uns. Die Stresshormone wirken wie eine Droge. Wir möchten diesen Effekt erneut erleben und produzieren dadurch unbewusst Stress. Obwohl er sich nachteilig für uns auswirkt.
Die heutige wissenschaftliche Forschung belegt, dass eine ständige anhaltende Anspannung die Produktivität langfristig senken lässt und zu einer erhöhten gesundheitlichen Anfälligkeit führen kann (Quellen hier und hier). Oft wehrt sich der Körper gegen die Überbelastung und entwickelt gesundheitliche Beschwerden, die zu einer Pause und langfristigen Erholung zwingen.
Das bedeutet nicht, dass wir den Stress grundsätzlich meiden sollten. Er hilft uns insbesondere in bedrohlichen Situationen und führt eine Leistungssteigerung herbei. Unter Druck oder in Gefahr- oder Stresssituationen können wir über uns hinauswachsen, was aber auch einen erhöhten Energieeinsatz erfordert und deshalb nur für einen begrenzten Zeitraum gesund sein kann. Es geht darum, sich bewusst zu machen, den Stress in einem gesunden Maße für sich und seine Entwicklung zu nutzen, sich ihm aber nicht dauerhaft auszusetzen.
In der Mitte liegt die Kraft
In meinem Artikel „Die Unsterblichkeit von Geist und Seele“ (Link) habe ich versucht zu erläutern, dass Körper, Seele und Geist eine Einheit bilden. Die Wechselbeziehungen untereinander sind dabei so eng, dass kein Einfluss auf einen Teil ausgeübt werden kann, ohne dass die beiden anderen Teile davon in ihrer Lebenskraft beeinflusst werden. Es ist leicht vorstellbar, dass die Lebenskraft nur im bestimmten Maße zur Verfügung steht und die Beanspruchung daher abgewogen werden sollte. Eine zu hohe Beanspruchung der Lebenskraft erschwert die Suche nach seelischem Gleichgewicht.
Das Hauptaugenmerk sollte auf das rechte Maß im Umgang mit körperlichen Überbelastungen durch ungesunde und übermäßige Ernährung, Überanstrengungen durch sportliche Betätigung oder auch Überbelastung des Gehirns durch übermäßige Gedankenarbeit gerichtet sein. Eine Lebensform in der Mitte führt zu körperlicher und seelischer Gesundheit, meint auch die folgende Aussage bei Aristoteles (384 v.Chr.-322 v.Chr.):
“Als Erstes ist zu erkennen, dass Tugenden durch Mangel oder Übermaß zugrunde zu gehen pflegen … so, wie wir es bei Kraft und Gesundheit sehen. Denn übermäßiges Turnen vernichtet die Kraft und ebenso zu wenig Turnen. Ebenso zerstören ein Zuviel und Zuwenig an Speise und Trank die Gesundheit, das Angemessene dagegen schafft die Gesundheit, mehrt sie und erhält sie…“
(Aristoteles, Nikomachische Ethik, 2.2, 1104a12 ff)
Wege zur Sammlung neuer Lebenskraft
Wenn ein übermäßiger Verbrauch der Lebenskraft stattgefunden hat, gibt es verschiedene Wege die Lebenskraft wieder zu erneuern und zu steigern. Der richtige Weg ist dabei von Mensch zu Mensch verschieden und Bedarf einer besonderen Einfühlung in das einzelne Individuum. Ob ein Mensch sich entspannt, in dem er im vertrauensvollen Glauben betet und meditiert, ob eine Entspannung im Yoga erreicht wird oder mit harmonischer Musik, all dies strebt Entspannung an und bewirkt sie. Auch in einem nicht-spirituellen Kontext kann ein Ausflug mit der Familie, ein Spaziergang, ein Strandtag oder eine Sportveranstaltung dazu genutzt werden, das Bedürfnis nach Entspannung zu befriedigen. Aus Sicht der Seele gibt es keine bessere oder schlechtere Form der Entspannung. Das individuelle Ergebnis ist entscheidend. Wichtig ist das Vertrauen, welches durch die Entspannung erlangt werden kann.
Entspannung ist der Zustand der Ruhe und ein Abschalten der geistigen Tätigkeit. Unser Gehirn ist im wachen Zustand stets aktiv und auch im Zustand der Entspannung kann kein Mensch die Gedanken abstellen. Nur im Schlaf hat der Mensch eine so hohe Passivität, dass hier die stärkste Grundlage zur Sammlung neuer Lebenskraft gefunden werden kann. Das wissen wir aus Erfahrung. Ein gesunder Schlaf kann helfen, so viel Lebenskraft aufzunehmen, dass unsere Organe, unser Gehirn und unser Nervensystem die bestmögliche Leistungskraft erhalten.
Die Kraft der Meditation
Aus wissenschaftlicher und spiritueller Sicht gibt die Meditation – neben dem Schlaf – eine weitere Möglichkeit zur Sammlung neuer Lebenskraft. Medizinische Studien und auch Neurologen und Molekularbiologen wie Jon Kabat-Zinn haben die positiven Effekte der Meditation auf die Funktion des Gehirns und des Nervensystems erforscht und belegen können. Studienergebnisse zeigen, dass Meditation schon nach acht Wochen zu positiven strukturellen Veränderungen im Gehirn führt und regelmäßiges Meditieren die Konzentration erhöht und Stressgefühle vermindert (Quelle der Studie).
Die Anzahl wissenschaftlicher Artikel zum Thema Meditation ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Ein Grund dafür ist unter anderem die Entwicklung von bildgebenden Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT), die die positiven Veränderungen im Gehirn während verschiedener meditativer Zustände nachweisen und sichtbar machen kann. Dank der daraus entstandenen wissenschaftlichen Belege halten neue Behandlungsverfahren bei Stress, Burn-out, Schmerzen, Depressionen, psychosomatischen Krankheiten und Ängsten auch Einzug in den Krankenhausalltag.
Vor der ersten Meditationsübung ist es wichtig zu wissen, dass eine meditative Ruhe meist nicht schon beim ersten Versuch erreicht wird. Immer wieder zeigen sich die Gedanken. Aber mit Geduld und Ausdauer wird der geeignete Zustand bald erreicht sein. Durch Konzentration können die Gedanken immer mehr herabgemindert werden. Aufhalten sollte man sich dabei in einem ruhigen Raum mit gedämpften Licht und guter Luft. Nicht in aufgeregter Stimmung, sondern nur mit einer bewussten Einstellung zum Guten und in Harmonie mit der Umgebung lassen sich gute Kräfte aufnehmen.
Mit fortlaufender Meditationspraxis entwickelt der Mensch eine gewisse Innenschau, ein Bewusstsein für das eigene Leben und der Selbstbeherrschung im Denken.
Gedanken können aufbauen im Guten, aber auch zerstören im Schlechten. Entscheiden wir uns doch besser für die guten Gedanken und genießen eine friedliche und ausgeglichene Stimmung mit gutem Einfluss auf unsere Umgebung.
Ergänzende Informationen und Unterstützung für einen ersten Meditationsversuch bietet dieses Youtube-Video.